Partielle Artemisinin-Resistenz: Präzise Begriffswahl entscheidend!

Originalpublikationen:

 

Hanscheid T, Mahomed SM, Rebelo M, et al. Inaccurate communication in health science: The case of ‘partial artemisinin resistance’ for the treatment of malaria. New Microbes New Infect 2024; 62. 10.1016/j.nmni.2024.101544. PubMed: 39719945

 

Pereira SM, Grobusch MP, Hänscheid T : How a GPT-aided survey reveals a medical student´s misunterstanding of the term ‘artemisinin resistance’. New Microbes New Infect 2025; 63. 10.1016/nmni.2024.101552.PubMed: 39759404

Um das Phänomen einer verzögerten Clearance von Plasmodien beim Einsatz von Artemisinin-basierten Therapien zu beschreiben, sollte auf eine präzise Begriffswahl geachtet werden. Laut WHO handelt es sich dabei um eine Teilresistenz; der Wirkstoff bleibt aber Mittel der ersten Wahl bei schweren Formen der Malaria. Ungenauigkeiten bei der Begriffsverwendung können zu schwerwiegenden Fehlentscheidungen führen, sind in der medizinischen Fachwelt aber weit verbreitet, so die Ergebnisse einer aktuellen Studie.

Resistenz bedeutet im Bereich der Infektiologie in der Regel, dass ein Mikroorganismus durch den Erwerb neuer Eigenschaften einer ehemals wirksamen Substanz widersteht. Der Einsatz des Wirkstoffs ist dann in der klinischen Praxis nicht mehr sinnvoll. Bei der Artemisinin-Teilresistenz von Plasmodium falciparum sieht die Sachlage allerdings anders aus. Unter normalen Bedingungen wird durch eine Artemisinin-Kombinationstherapie (ACT – Artemisinin-based Combination Therapy) die Mehrzahl der Plasmodien innerhalb von 48-72 Stunden eliminiert. Im Jahr 2008 gab es erstmals Berichte aus West-Kambodscha über eine nachweisbare Parasitämie am dritten Tag nach einer Artemisinin-basierten Therapie. Ursache hierfür ist eine Mutation im Kelch-13-Gen, welche mit einer langsameren Entwicklung der Parasiten und einem verlangsamten Stoffwechsel einhergeht. Hierdurch wird auch die durch Artemisinin induzierte Bildung der für die Parasiten toxischen reaktiven Sauerstoffspezies verringert. Anfangs wurde der Begriff der Artemisinin-Resistenz verwendet, der sich hartnäckig hält, obwohl die WHO 2018 mit der Einführung des Terminus der Artemisinin-Teilresistenz eine präzisere Bezeichnung etablierten wollte.

In der aktuellen Studie wurde analysiert, ob in PubMed bzw. dem Web of Science gelistete wissenschaftliche Publikationen den Begriff der Artemisinin-Teilresistenz verwenden bzw. ob auf das Konzept der verlangsamten Clearance verwiesen wird. Das Large-Language-Model ChatGPT (GPT-4) kam zur Erstellung von Suchbegriffen zum Einsatz, die auf den Begriffen „Artemisinin“, Resistenz“, partiell“ und „verzögert“ basierten. Dabei wurde nach Veröffentlichungen gesucht, die „Artemisinin“ und „Resistenz“ (und deren Varianten), nicht aber „partiell“ oder „verzögert“ (und deren Varianten) in Titel, Abstract oder MeSH-Terms beinhalteten.

Ergebnisse

Insgesamt konnten 4041 Publikationen identifiziert werden, in denen das Thema der (Teil-) Resistenz gegenüber Artemisinin behandelt wurde. Von diesen enthielten nur 281 (7%) die Begriffe „partiell“ bzw. „verzögert“ in Titel, Abstract oder MeSH-Terms, meist in Form der Termini „partielle Artemisinin-Resistenz“ bzw. „verzögerte Parasiten-Clearance“. Das WHO-Statement zur Verwendung des Begriffs der Artemisinin-Teilresistenz im Jahr 2018 änderte nichts an der Häufigkeit der Verwendung des Begriffs „Artemisinin-Resistenz“. Allerdings ergab sich 2018 ein geringer Anstieg des Anteils an Publikationen, die Erklärungen zu dem Konzept der verzögerten Clearance beinhalteten.

198 Publikationen, in denen die Begriffe „partiell“ bzw. „verzögert“ erwähnt wurden, durchliefen eine genauere Analyse des gesamten Textes (Veröffentlichungen mit >50 Zitationen und zufällig ausgewählte Publikationen). Mithilfe eines digitalen Linguistik-Tools (AntConc) wurde der Begriff „Resistenz“ 7364-mal verzeichnet, „Artemisinin-Resistenz“ 1503-mal und „Resistenz gegenüber Artemisinin“ 147-mal. Demgegenüber wurde der von der WHO empfohlene Terminus „partielle Artemisinin-Resistenz“ insgesamt nur 12-mal in den Haupttexten gefunden, der Begriff „partielle Resistenz“ erschien 23-mal und „verzögert“ wurde insgesamt 320-mal verzeichnet. 37 Publikationen, die nicht in direktem Zusammenhang mit dem Thema der partiellen Artemisinin-Resistenz bzw. dem Konzept der verzögerten Parasitenelimination standen, wurden in einem nächsten Schritt manuell aussortiert; es verblieben 161 Publikationen. Dabei zeigte sich, dass in 97% der Publikationen aus dem Bereich der Grundlagenforschung, in 88% der Publikationen aus dem Bereich der klinischen Forschung und in 93% der Publikationen aus dem Bereich der epidemiologischen Forschung der Begriff „partiell“ nicht genannt wurde. Der Begriff „verzögert“ wurde in 71% der Publikationen aus dem Bereich der Grundlagenforschung, in 44% der klinischen Studien und in 30% der epidemiologischen Studien verwendet. Das Konzept der partiellen Artimisinin-Resistenz wurde in 68% der Publikationen aus dem Bereich der Grundlagenforschung und in 60% der epidemiologischen Studien nicht erklärt, während es in 55% der klinischen Studien adressiert wurde. In den meisten Publikationen wurde das Konzept der partiellen Artemisinin-Resistenz in der Einleitung erläutert (69%), während es nur in einer Publikation schon im Abstract zur Sprache kam.

Ein Letter to the Editor zu diesem Artikel verdeutlicht, zu welchen Problemen die Begriffsungenauigkeit im klinischen Alltag führen kann. Einer Gruppe von Studierenden wurde ein Szenario geschildert, in dem ein Patient nach seiner Rückkehr von einer Thailandreise an einer schweren Malaria erkrankt. In dem Szenario zieht der Behandelnde GPT-4 zu Rate und erhält die Antwort, dass bei schweren Formen der Malaria sowohl Chinin als auch Artemisinin als Behandlungsoptionen in Frage kommen, Artemisinin aber die wirksamere Substanz sei. Gleichzeitig weist GPT-4 darauf hin, dass Artemisinin-Resistenzen in Südostasien weit verbreitet seien. Dennoch sei eine Artemisinin-basierte Behandlung die bevorzugte Therapieoption. Fünf verschiedene Antwortmöglichkeiten standen zur Auswahl. Nur 15,5% der Studierenden wählten die korrekte Antwort, dass trotz Erwähnung der Artemisinin-Resistenz eine sofortige Artemisinin-basierte Therapie eingeleitet werden sollte. Die Mehrzahl der Befragten (62,5%) favorisierte hingegen die Antwort, die Information zur Artemisinin-Resistenz in Südostasien zu verifizieren und bei Bestätigung durch andere Quellen eine Chinintherapie durchzuführen. Die Wahrscheinlichkeit, den Begriff „Artemisinin-Resistenz“ falsch zu verstehen, lag insgesamt um das 5,5-fache höher als die Wahrscheinlichkeit einer korrekten Einschätzung. Die Autoren mutmaßen, dass der Begriff Teilresistenz in diesem Zusammenhang zu weniger Fehleinschätzungen geführt hätte.

 

Fazit:

Um das Phänomen einer verzögerten Clearance von Malaria-Erregern unter einer Behandlung mit Artemisinin präzise zu beschreiben, sollte der von der WHO vorgeschlagene Begriff der partiellen Artemisinin-Resistenz konsistent verwendet werden. Da es in diesem Zusammenhang leicht zu Missverständnissen kommen kann, sollte jeweils darauf hingewiesen werden, dass eine partielle Artemisinin-Resistenz nicht die Unwirksamkeit der Substanz bedeutet. Generell sollte im Bereich der Wissenschaftskommunikation auf die frühzeitige Implementierung präziser Begriffe geachtet werden, so die Autorengruppe.

Quelle:

Autorin: Dr. Katharina Franke, Darmstadt